Verscherzt: Steuerberater haftet für fehlerhafte Selbstanzeige

Selbstanzeigeberatung ist gefährlich. Nicht nur für den Mandanten, sondern auch für den Berater, wenn sich die für den Mandanten erstellte Selbstanzeige hinterher als unwirksam herausstellt. Das LG Saarbrücken (Urt. v. 23.01.2012, 9 O 251/10) beispielsweise hat einen Steuerberater (Beklagter) in einem solchen Fall zum Schadensersatz i. H. v. ca. 150.000 € gegenüber seinem (ehemaligen) Mandanten verurteilt.

 

Der Mandant (Kläger) betrieb eine Apotheke.

 

Im Rahmen einer routinemäßigen Besprechung wies der Beklagte den Kläger auf ein Steuersparmodell hin, das im Rahmen des so genannten …-Verbunds, eines Zusammenschlusses von Rechtsanwälten, Wirtschaftprüfern, Steuerberatern und Unternehmensberatern, angeboten wurde.

 

Scheinbar war dieses „Steuersparmodell“ doch nicht ganz koscher, denn als eine Betriebsprüfung (Außenprüfung) des Finanzamtes beim Mandanten anstand, wurde der Steuerberater beauftragt, eine Selbstanzeige zu erstellen. Er gab folgende Erklärung gegenüber dem Finanzamt ab:

 

Bei Durchsicht und Überprüfung der Steuerunterlagen, Verträge und deren Konzeption im Rahmen der Vorbereitung der Außenprüfung fiel auf, dass möglicherweise die tatsächliche Abwicklung und Handhabung der Leistungsbeziehungen, insbesondere zwischen der Apotheke und der … nicht in vollem Umfang den vertraglich vereinbarten Vorgaben entsprach, …

Im Einzelnen handelt es sich um die Abrechnungen der Leistungen zwischen der … und der Apotheke für das Wirtschaftsjahr 01.07.2004 – 30.06.2005 in Höhe von 116.400,– Euro sowie für das Wirtschaftsjahr 01.07.2005 – 30.06.2006 in Höhe von 608.300,– Euro zzgl. Kontokorrentzinsen in Höhe von 6.605,60 Euro, welche im Rahmen der Prüfung unserer Ansicht nach besonders diskussionswürdig sein könnten.

 

Diese Erklärung führte allerdings nicht zur erhofften Straffreiheit, sondern zu folgendem Ergebnis:

 

Gegen den Kläger wurde … wegen Steuerhinterziehung eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten festgesetzt. Durch Beschluss vom gleichen Tage wurden dem Kläger Bewährungsauflagen erteilt, wonach er unter anderem einen Geldbetrag von 100.000 € zu Gunsten der Staatskasse und einen weiteren Geldbetrag von 30.000 € zu Gunsten der … e. V. – Opferfonds – Geldbußen – zu zahlen hatte.

 

Der Mandant nahm nun seinen (ehemaligen) Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch. Das Gericht entschied wie folgt:

 

Die Beklagten haben sich pflichtwidrig verhalten, indem sie es unterlassen haben, für eine strafbefreiend wirkende Selbstanzeige des Klägers zu sorgen. …

Nach dem Gesetz wird derjenige, der gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, gemäß § 371 Abs. 1 AO wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft. Das auf dem Geschäftspapier der Beklagten an das Finanzamt übermittelte Schreiben … genügt diesen Anforderungen bereits im Ansatz nicht. In dem Schreiben werden keine unrichtigen Angaben berichtigt, keine unvollständigen Angaben ergänzt und keine unterlassenen Angaben nachgeholt. Die Unrichtigkeit von Angaben wird nicht einmal im Ansatz eingeräumt. … Eine Erklärung, die Sachverhalte nur möglicherweise und teilweise („nicht in vollem Umfang“) als nicht gegeben darstellt und Abrechnungen als besonders diskussionswürdig bezeichnet, genügt weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach Sinn und Zweck der Straffreiheit den Anforderungen an eine Selbstanzeige. …

Hat der steuerliche Berater … durch schuldhaft fehlsames Verhalten den Mandanten in die Lage gebracht, sich die vom Gesetze selbst dargebotene Straffreiheit zu verscherzen, dann ist auch der Schaden des Mandanten durch diese Vertragsverletzung ursächlich herbeigeführt worden (RGZ 169, 267, 269). …

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Beraterhaftung anerkannt, dass ein Anspruch des Mandanten auf Erstattung einer gegen ihn festgesetzten Geldbuße oder Geldstrafe in Betracht kommen kann … Der Mandant kann demzufolge vom Steuerberater auch Schadensersatz in Höhe der gegen ihn wegen Steuerhinterziehung verhängten Geldstrafe oder des entsprechenden Bußgeldes verlangen, wenn dieser ihn von der Erstattung einer Selbstanzeige abgehalten oder pflichtwidrig und schuldhaft keine ordnungsgemäße Selbstanzeige erstattet hat und bei pflichtgemäßem Rat und ordnungsgemäßer Selbstanzeige die Bestrafung abzuwenden gewesen wäre …

Bei ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Selbstanzeige wäre der Kläger straffrei gewesen und daher nicht mit der Geldauflage und den Kosten des Strafverfahrens belastet worden. …

Fazit: Falls für einen Mandanten eine Selbstanzeige in Betracht kommt, muss der Berater ihn darauf ungefragt hinweisen. Für die Formulierung der Selbstanzeige ist besondere Sorgfalt aufzuwenden. Fehler können nicht nur zu empfindlichen Folgen beim Mandanten, sondern auch zur Schadensersatzpflicht des Beraters führen.

Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht

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