Einer Steuerberaterin wurde vorgeworfen, sie habe eine Eingangsrechnung einer von ihr steuerlich beratenen eingetragenen Genossenschaft manipuliert. Damit habe sie der Genossenschaft ermöglichen wollen, zu Unrecht die Vorsteuer aus dieser Rechnung zu ziehen. Es ging dabei um Vorsteuern in Höhe von sage und schreibe 283,57 €. Das bizarre Steuerstrafverfahren endete – nach erstinstanzlicher Verurteilung – mit einem Freispruch im Berufungsverfahren.
Ermittlungsanlass Umsatzsteuersonderprüfung
Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine Umsatzsteuersonderprüfung des Finanzamtes bei der XYZ-Genossenschaft eG für das Jahr 2011. Die Prüfung fand teilweise im Büro der Steuerberaterin statt. Dort bemängelte die Prüferin u. a. eine bestimmte Eingangsrechnung. Diese weise einen falschen Rechnungsempfänger, nämlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (XYZ-GbR), aus. Bei der XYZ-GbR handelte es sich um die Vorgründungsgesellschaft der XYZ-Genossenschaft. Ein Vorsteuerabzug sei daher aus dieser Rechnung für die Genossenschaft nicht zulässig, so die Prüferin.
Steuerberaterin übergibt Prüferin manipulierte Rechnung
Die Steuerberaterin verließ das Prüferzimmer und fragte bei ihrem Mandanten (Mitglied der Genossenschaft) telefonisch nach, ob es denn eine auf die Genossenschaft lautende Rechnung gebe. In der Gründungsphase der Genossenschaft gab es immer wieder Rechnungskorrekturen, weil der Rechnungsempfänger (GbR, eG i.G., eG) falsch bezeichnet war. Sämtliche Rechnungen und deren Korrekturen waren auf einem Server des Mandanten gespeichert. Ca. eine halbe Stunde später übersandte der Mandant eine auf die Genossenschaft lautende Rechnung per E-Mail an die Steuerberaterin. Die Steuerberaterin druckte die Rechnung aus und übergab sie der Prüferin.
Zurück im Amt fiel der Prüferin auf, dass sich die auf die Genossenschaft und die auf die GbR lautende Rechnung – mit Ausnahme des Empfängerfeldes – 1:1 entsprachen (identische Bearbeitervermerke und Namenskürzel jeweils an derselben Stelle). Die Prüferin ging daher davon aus, dass die Rechnung gefälscht wurde und zeigte den Sachverhalt der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) an.
Ermittlungsverfahren und erstinstanzliche Verurteilung
Die BuStra leitete 2014 gegen die Steuerberaterin ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass sie selbst den Rechnungsempfänger geändert und damit die Rechnung manipuliert habe, um der Genossenschaft den Vorsteuerabzug zu sichern. Ich übernahm die Verteidigung der Steuerberaterin. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erging ein Strafbefehl, gegen den ich Einspruch eingelegte.
Daraufhin kam es zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Leipzig. Dort stellte sich heraus, dass ihr Mandant (Mitglied der Genossenschaft) die auf dem Server gespeicherte Rechnung, die auf die GbR lautete, nach dem Telefonat mit meiner Mandantin ausgedruckt hatte. Auf das Empfängerfeld klebte er einen selbst erstellten Adressaufkleber, so dass die Rechnung nunmehr auf die Genossenschaft lautete. Dieses Exemplar scannte er ein und versandte es per E-Mail an die Steuerberaterin, die es gutgläubig ausdruckte und der Prüferin übergab.
Der Amtsrichter unterstellte aufgrund der „Gesamtumstände“ – ohne diese näher zu bezeichnen –, dass meine Mandantin Kenntnis von der Rechnungsmanipulation hatte. Insbesondere aufgrund der Kürze der Zeit zwischen dem Telefonat und der Übersendung der Rechnung (ca. halbe Stunde) habe sie davon ausgehen müssen, dass ihr Mandant die Rechnung gefälscht habe. Meine Mandantin wurde daher wegen Urkundenfälschung – Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde – und (versuchter) Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Freispruch in der Berufungsinstanz
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte ich für meine Mandantin Berufung ein. In meiner Berufungsbegründung und in meinem Plädoyer verwies ich darauf, dass Urkundenfälschung schon dem objektiven Tatbestand nach nicht in Betracht komme, weil die manipulierte Rechnungskopie keine Urkundenqualität habe. Zudem habe meine Mandantin nicht vorsätzlich gehandelt. Hierbei sei die Rechtsprechung des BGH zu berufstypischen Tätigkeiten zu beachten.
Das Landgericht Leipzig sprach meine Mandantin in der Berufungshauptverhandlung vollumfänglich frei. Es folgte meiner Argumentation und verneinte die Urkundenfälschung. Zudem habe das Landgericht nicht feststellen können, dass meine Mandantin wusste, dass die Rechnung durch ihren Mandanten manipuliert wurde. Insoweit habe sie ohne Vorsatz gehandelt.
Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht