Heute erhielt ich ein Werbeschreiben des Verlages C.H.Beck für ein Probeabo der Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ (DStR) ein. Darüber habe ich etwas die Stirn gerunzelt, da ich die DStR dort seit 2013 im Abo beziehe. Offensichtlich gibt es in der Werbemaschinerie bei C.H.Beck keine entsprechende Filterfunktion.
Aber die Aufmachung des Werbeschreibens mit „Pflichtlektüre für Steuerberater“ unter Verweis auf BGH, Urteil v. 25.9.2014 – IX ZR 199/13, weckte dennoch mein Interesse. Bisher wurde in der DStR-Werbung nämlich immer (nur) auf ein OLG-Urteil verwiesen, wonach der Steuerberater verpflichtet sei, die DStR zu lesen.
Weiter heißt es in dem Werbeschreiben:
„… wer die DStR nicht regelmäßig liest, geht ein erhebliches Haftungsrisiko ein. Denn als Steuerberater sind Sie verpflichtet, die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Entscheidungen zu kennen, das hat der BGH erst kürzlich wieder bekräftigt.“
Neugierig las ich das BGH-Urteil, konnte darin aber keine solche „wiederholte Bekräftigung“ dieser Aussage entdecken. Vielmehr heißt es dort zum Thema DStR:
„Der Jahresbericht des Bundesfinanzhofs ist nicht Teil der amtlichen Sammlung und gehört nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften, welche ein Steuerberater auszuwerten hat. … Welche Zeitschriften dies sind, hat der Senat bisher offen gelassen. Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In Betracht kommen vor allem das vom Bundesfinanzministerium herausgegebene Bundessteuerblatt und die von der Bundessteuerberaterkammer herausgegebene Zeitschrift ‚Deutsches Steuerrecht‘. Es muss sich um Zeitschriften handeln, welche die für die Beratungspraxis benötigten Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. …“
Nicht mehr und nicht weniger. Der BGH hat also erstens nur ausgeführt, dass er – bzw. der für Steuerberaterhaftungssachen zuständige IX. Senat – bisher die Frage offen gelassen – also nicht entschieden – hat, welche Zeitschriften der Steuerberater lesen bzw. auswerten muss. Davon, dass der BGH etwas „wieder bekräftigt“ hat – so das Werbeschreiben –, kann also keine Rede sein. Und zweitens wird in dem Urteil darauf verwiesen, dass die Frage auch im vorliegenden Fall nicht entschieden werden musste. Der Senat verwies lediglich darauf, dass die DStR als Pflichtlektüre „in Betracht kommt“.
In dem Werbeschreiben wird also mächtig übertrieben. Allerdings wird man sich darauf einrichten müssen, dass die DStR vom BGH tatsächlich einmal als Pflichtlektüre behandelt wird, wenn es darauf streitentscheidend ankommen sollte.
Das BGH-Urteil enthält aber noch weitere interessante Aussagen dazu, welche Zeitschriften bzw. Publikationen jedenfalls grundsätzlich nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters gehören:
- die Jahresberichte des BFH
- die monatlich als Beilage zum BStBl erscheinende Liste der beim BFH, BVerfG und EuGH anhängigen Verfahren in Steuersachen (Verweis auf BGH, Urt. v. 6.11.2008 – IX ZR 140/07)
- Spezialzeitschriften (es sei denn, dass ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist)
- reine Entscheidungssammlungen, etwa BFH/NV
- Zeitschrift „Der Ertrag-Steuerberater“
Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht