Nach einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung wurde einem Mandanten, Geschäftsführer einer in der Fleischbranche tätigen GmbH, vorgeworfen, er habe den laut Tarifvertrag für die Fleischwirtschaft festgelegten Mindestlohn bei der Lohnzahlung unterschritten. Mein Mandant habe sich daher gemäß § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) strafbar gemacht. Das Hauptzollamt eröffnete ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und gab die Sache an die Staatsanwaltschaft ab.
Kein Vorsatz
Im Ermittlungsverfahren trug ich vor, dass meinem Mandanten zum jeweiligen Tatzeitpunkt nicht bewusst gewesen sei, dass es für die Fleischwirtschaft einen Tarifvertrag gab und dass dieser durch Verordnung vom 30.07.2014 für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Dafür würden mehrere Indizien sprechen.
Sozialversicherungsrechtlich möge dies ohne Relevanz sein. § 266a StGB setze jedoch vorsätzliches Handeln voraus (§ 15 StGB) und daran fehle es hier. Mein Mandant habe vielmehr einem Tatumstandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Beiträge … vorenthält“ im Sinne von § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB unterlegen. Wer nicht wisse, dass aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags tatsächlich höhere Sozialversicherungsbeiträge geschuldet sind, der habe auch subjektiv keine Vorstellung davon, dass er „Beiträge … vorenthält“.
Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht, aber OWi-Verfahren
Ein hinreichender Tatverdacht liege somit nicht vor. Ich regte daher an, das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdacht einzustellen. Dem kam die Staatsanwaltschaft auch nach.
Allerdings wurde aufgrund der Mindestlohnunterschreitung nunmehr ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen meinen Mandanten eingeleitet (Verdacht des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 AEntG), das noch nicht abgeschlossen ist.