Die Vorschriften zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – Einziehung und Vermögensarrest – wurden ab 01.07.2017 neu geregelt. Vor dieser Reform spielte die Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren kaum eine Rolle, was sich aber grundlegend geändert hat.
Voraussetzung der Einziehung
Hat der Steuerhinterzieher durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so hat das Gericht zwingend die Einziehung des „Taterlangten“ anzuordnen (§ 73 Abs. 1 StGB). Bei der Steuerhinterziehung entspricht das „Taterlangte“ im Normalfall den ersparten (verkürzten) Steuern oder den zu Unrecht erlangten Steuervorteilen. Insoweit wird gemäß § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
BGH: Keine Einziehung bei erloschener Steuerforderung
Gemäß § 73e Abs. 1 StGB ist die Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Verletzten – hier: der Steueranspruch des Finanzamtes – bereits erloschen ist. Das Erlöschen von Steueransprüchen regelt § 47 AO, wonach Steueransprüche insb. durch Nachzahlung der verkürzten Steuern, aber auch durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169ff. AO) erlöschen. Der BGH (24.10.2019, 1 StR 173/19) entschied, dass der Begriff des Erlöschens im Sinne von § 47 AO und § 73e Abs. 1 StGB einheitlich auszulegen ist. Steuerrechtlich verjährte Ansprüche können damit nicht eingezogen werden.
„Nichtanwendungsgesetz I“
Die BGH-Entscheidung aus 2019 ist überwiegend auch schon wieder Rechtsgeschichte. Vor dem Hintergrund von fragwürdigen „Cum-Ex-Geschäften“, bei denen Festsetzungsverjährung droht (oder gar schon eingetreten ist), wurde durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz mit Wirkung vom 01.07.2020 ein neuer § 375a in die AO eingefügt.
AO § 375a Verhältnis zur strafrechtlichen Einziehung
Das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 steht einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuches nicht entgegen. |
Seit dem 01.07.2020 unterlagen also auch steuerrechtlich verjährte und damit erloschene Steueransprüche der Einziehung. Nach Art. 97 § 34 EGAO galt § 375a AO (n. F.) aber nur „für alle am 1. Juli 2020 noch nicht verjährten Steueransprüche“, nicht dagegen für zu diesem Zeitpunkt bereits verjährte Steueransprüche.
„Nichtanwendungsgesetz II“
Aber auch diese Neuregelung ist schon wieder obsolet. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurden § 375a AO und Art. 97 § 34 EGAO m. W. v. 29.12.2020 wieder aufgehoben. Zugleich wurde in § 73e Abs. 1 StGB ein neuer Satz 2 eingefügt, wonach die Einziehung nicht ausgeschlossen ist „für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.“
► Praxis-Tipp
Nach der Übergangsvorschrift in § 316j EGStGB ist die Einziehung bei verjährten Steuerforderungen sogar dann zulässig, wenn die Verjährung bereits vor dem 29.12.2020 eingetreten ist und es sich um eine Steuerverkürzung im großen Ausmaß handelt (Nr. 1 der Vorschrift). Die „Cum-Ex-Geschäfte“ dürften allesamt darunter fallen. Nach Auffassung des BGH, 28.07.2021, 1 StR 519/20, verstößt die Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. |