Die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer auf der Grundlage von Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäften ist Steuerhinterziehung. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 28.07.2021, 1 StR 519/20. Zugleich hatte der BGH über die Rechtmäßigkeit einer rückwirkenden Einziehung von Taterträgen zu entscheiden.
Cum-Ex-Leerverkäufe und Steuerhinterziehung
Das Thema „Cum-Ex“ ist komplex. Der BGH entschied in einem speziellen Fall, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer auf Basis von Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäften Steuerhinterziehung darstellt. Es handelt sich um unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wodurch ungerechtfertigte Steuervorteile im Sinne von § 370 Abs. 4 S. 2 AO erlangt wurden. Damit bestätigte der BGH die Entscheidung der Vorinstanz (LG Bonn, 18.03.2020, 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19).
Einziehung auch rückwirkend zulässig
Hat der Straftäter oder ein Dritter (hier: eine Bank) durch die Straftat einen Vermögensvorteil (hier: Kapitalertragsteuererstattung als ungerechtfertigter Steuervorteil) erlangt, dann soll er diesen nicht behalten dürfen. Der Vermögensvorteil wird ihm wieder weggenommen (Vermögensabschöpfung bzw. Einziehung).
Früher war eine Einziehung nicht möglich, wenn die zugrunde liegende Steuerforderung des Finanzamtes schon verjährt war. Das stellte der BGH noch in einer Entscheidung vom 24.10.2019, 1 StR 173/19, klar. Diese Entscheidung ist jedoch überholt. Nachdem überhastet zwei „Nichtanwendungsgesetze“ erlassen wurden, ist seit dem 29.12.2020 eine Neuregelung in § 73e Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Kraft, wonach die Einziehung auch „für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind“, zulässig ist.
Aufgrund der Übergangsvorschrift in § 316j des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) ist die Einziehung bei verjährten Steuerforderungen sogar dann zulässig, wenn die Verjährung bereits vor dem 29.12.2020 eingetreten ist und es sich um eine Steuerverkürzung im großen Ausmaß handelt (Nr. 1 der Vorschrift). Nach Auffassung des BGH verstößt diese Übergangsvorschrift nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.