Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Verfahrens-/Prozessrecht

  • Gesellschafter-Nachhaftung: Finanzamt hebt Haftungsbescheid auf

    An anderer Stelle berichtete ich über ein Verfahren vor dem Sächsischen Finanzgericht zur Gesellschafter-Nachhaftung bei Beendigung einer zweigliedrigen GbR. Auf Grundlage des Finanzgerichts-Beschlusses hatte ich beim Finanzamt nachgefragt, ob nunmehr beabsichtigt sei, dem Einspruch gegen den Haftungsbescheid abzuhelfen und den Haftungsbescheid aufzuheben. Für den Fall, dass keine Abhilfe beabsichtigt sei, bat ich um zeitnahe Einspruchsentscheidung.

    Heute erhielt ich nun einen Bescheid über die Rücknahme des Haftungsbescheides. Damit ist auch das Hauptsacheverfahren (Einspruchsverfahren) erledigt. Dadurch sparte meine Mandantin letztendlich ca. 100.000 € abzüglich Beraterkosten ein.

    Fazit: Steuerstreit lohnt sich.

  • Schätzung durch Zeitreihenvergleich und Schätzungsbefugnis bei fehlenden Kassenunterlagen

    Der BFH hat durch Urteil vom 25.03.2015, Az. X R 20/13, die Voraussetzungen des Zeitreihenvergleichs konkretisiert. Beim Zeitreihenvergleich handelt es sich um eine Schätzungsmethode, die insbesondere in der Betriebsprüfung bei Gastronomiebetrieben üblich ist.

    Zugleich entschied der BFH, dass bei einem programmierbaren Kassensystem das Fehlen von aufbewahrungspflichtigen Organisationsunterlagen (Betriebsanleitung, Protokolle nachträglicher Programmänderungen u. ä.) einen formellen Mangel darstellt, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse gleichsteht und der daher grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.

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  • Gesellschafter-Nachhaftung bei Beendigung einer zweigliedrigen GbR: Finanzgericht setzt Vollziehung eines Haftungsbescheides aus

    Haftungsbescheid des Finanzamtes

    Meine Mandantin war – neben ihrem Ehemann – Gesellschafterin einer gewerblich tätigen GbR. Im März 2009 schied meine Mandantin aus der GbR aus und ihr Ehemann führte das Unternehmen als Einzelunternehmen fort. Davon hatte das Finanzamt auch bereits im März 2009 Kenntnis. Erst im November 2014 erließ das Finanzamt gegenüber meiner Mandantin einen Haftungsbescheid. Eine Steuerfahndungsprüfung habe ergeben, dass die GbR dem Finanzamt für die Jahre 2007, 2008 und 2009 noch Umsatzsteuer in Höhe von ca. 100.000 € schulde (Umsatzsteuerbescheide aus Juli 2014). Als Gesellschafterin hafte sie für die Umsatzsteuerschulden der GbR gemäß § 128 HGB (analog) persönlich.

    Einspruch und AdV-Antrag beim Finanzamt

    Gegen den Haftungsbescheid legte ich für meine Mandantin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Ich argumentierte u. a., dass durch die Vorschriften zur Nachhaftung von GbR-Gesellschaftern eine Haftungsinanspruchnahme ausscheide. § 128 HGB könne nicht isoliert betrachtet werden, sondern sei im Zusammenhang mit §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 Abs. 1 HGB zu sehen. Hier liege ein Fall der gesetzlich begrenzten Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters vor. Scheidet ein Gesellschafter aus einer GbR aus, so haftet er für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn durch Erlass eines Verwaltungsakts geltend gemacht werden (§§ 736 Abs. 2 BGB, 160 Abs. 1 HGB).

    Die Fünf-Jahres-Frist habe daher im März 2009 – mit dem Ausscheiden meiner Mandantin aus der GbR bzw. Kenntnis des Finanzamtes vom Ausscheiden – begonnen. Somit sei die Frist im März 2014 abgelaufen. Der angefochtene Haftungsbescheid sei aber erst im November 2014 und damit nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist erlassen worden. Der Haftungsbescheid sei daher rechtswidrig, eine Nachhaftung meiner Mandantin sei somit ausgeschlossen.

    Das Finanzamt lehnte die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab. Es berief sich dabei auf § 159 HGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung. Danach beginne die Fünf-Jahres-Frist erst mit der Fälligkeit der Umsatzsteuerforderungen, also erst im Juli 2014 mit Erlass der Umsatzsteuerbescheide gegenüber der GbR.

    SächsFG setzt Vollziehung aus

    Nunmehr beantragte ich beim SächsFG die Aussetzung der Vollziehung. Das SächsFG setzte die Vollziehung des Haftungsbescheides wie beantragt aus (Beschluss vom 14.07.2015, Az. 3 V 65/15). Nach Auffassung des Gerichts seien die in § 160 HGB genannten Voraussetzungen im Streitfall gegeben.

    „Es bestehen ernstliche Zweifel, ob der Antragstellerin die Berufung auf § 160 HGB versagt ist, weil mit ihrem Ausscheiden aus der GbR die zweigliedrige GbR beendet worden ist. … Eine Berufung auf § 160 HGB soll also auch dann möglich sein, wenn bei Ausscheiden einer zweigliedrigen Gesellschaft Aktiva und Passiva auf den verbleibenden Gesellschafter übergehen …

    Es bestehen auch ernstliche Zweifel, ob § 159 Abs. 3 HGB im Rahmen des § 160 HGB entsprechend anzuwenden ist, wie das Finanzamt … meint. .. Der Senat hat erhebliche Bedanken gegen eine solche analoge Anwendung, denn § 160 Abs. 1 HGB setzt ausdrücklich voraus, dass eine Nachhaftung nur stattfindet, wenn eine Verbindlichkeit der Gesellschaft vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden bzw. der Kenntnis hiervon fällig wird. Angesichts dieser klaren Regelung ist bei summarischer Prüfung daher für eine analoge Anwendung des § 159 Abs. 3 HGB kein Raum. …“

    Das SächsFG legte dem Finanzamt die Kosten des Verfahrens auf. Eine Beschwerde gegen den Beschluss ließ das Gericht nicht zu (§ 128 Abs. 3 S. 1 FGO).

    Update (28.08.2015): Nach Ergehen des FG-Beschlusses nahm das Finanzamt den Haftungsbescheid zurück.

  • Gewerbesteuerschulden einer GbR: Vollstreckung beim Gesellschafter rechtswidrig

    Wenn Finanzämter oder – wie im Streitfall: Städte und Gemeinden – Steuern eintreiben, brauchen Sie dazu keine Erlaubnis eines Gerichts. Der Normalbürger, der bei seinem Schuldner vollstrecken will, benötigt einen gerichtlichen Vollstreckungstitel, z. B. ein Urteil. Dem gegenüber haben die Finanzämter, Städte und Gemeinden das Privileg, sich selbst einen Vollstreckungstitel – einen Steuerbescheid – zu erstellen und diesen auch gleich selbst zu vollstrecken. Dabei kann einiges schief gehen, wie der folgende Fall zeigt.

    Kontenpfändung durch Gemeinde

    Eine neue Mandantin kam zu mir und teilte mit, die Gemeindeverwaltung habe ihre Konten (Privatkonto und Geschäftskonto) gepfändet. Warum genau, wusste sie nicht. Meine Sachverhaltsermittlung ergab, dass wegen Gewerbesteuerschulden für 2007 und 2008 einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vollstreckt wird. An der GbR war meine Mandantin zu 50 % beteiligt. Die GbR besteht seit 2009 nicht mehr, vielmehr wird sie als Einzelunternehmen fortgeführt.

    Kontaktaufnahme mit der Gemeindeverwaltung

    Ich fragte bei der Gemeindeverwaltung nach. Dort erhielt ich die Auskunft, dass auf Grundlage des Gewerbesteuermessbetragsbescheides des Finanzamtes und des Gewerbesteuerbescheides, beide gerichtet an die GbR, vollstreckt wird. Meine Mandantin hafte doch als Gesellschafterin für diese Steuerschulden.

    Ich entgegnete, dass meine Mandantin aber nicht die GbR, sondern eine natürliche Person sei. Steuerschuldner der Gewerbesteuer sie die GbR und nicht meine Mandantin. Haftung für Steuerschulden sei etwas anderes, als Steuern zu schulden. Daher könne die Gemeinde aus einem Bescheid, der an eine GbR als Steuerschuldner gerichtet ist, nicht gegen den Gesellschafter vollstrecken.

    Außergerichtlich ließ sich die Gemeinde nicht von der Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens überzeugen. Daher war es erforderlich, ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht zu führen.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig

    Das Verwaltungsgericht Leipzig bestätigte mit Beschluss vom 02.06.2015, Az. 6 L 182/15, meine Auffassung, dass die Kontenpfändung rechtswidrig war. Es fehle „am zugrundeliegenden vollstreckbaren Verwaltungsakt gegen die Antragstellerin“ (= meine Mandantin). Schuldnerin der Gewerbesteuer sei die GbR. Gesellschafter der GbR hafteten zwar für die Steuerschulden der GbR. Sie könnten dafür aber nur durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Eine unmittelbare Vollstreckung aus dem Gewerbesteuerbescheid gegenüber der GbR sei unzulässig. Dieser Mangel sei „nicht heilbar und getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben“.

    Zwar habe die Gemeinde im laufenden Gerichtsverfahren einen solchen Haftungsbescheid erlassen (offensichtlich hat man dort dazugelernt, Anm. durch mich). „Die Nachholung der Vollstreckungsvoraussetzung … heilt den Fehler [jedoch] nicht und macht die Vollstreckungsmaßnahme auch nicht nachträglich rechtmäßig“, so das Verwaltungsgericht.

    Das Verwaltungsgericht gab meinem Antrag statt und bürdete der Gemeinde die Kosten des Verfahrens auf. Zwischenzeitlich kam die Gemeinde dem Gerichtsbeschluss nach und hob die Kontenpfändung auf.

  • Neuregelung: Vorläufige Gerichtsgebühr nach tatsächlichem Streitwert

    Insbesondere bei hohen Streitwerten könnte jetzt die Liquidität des Mandanten noch stärker als bisher darüber (mit-)entscheiden, ob er eine Klage zum Finanzgericht erhebt oder nicht.

    Bisher wurde bei Einreichung einer Klage beim Finanzgericht eine vorläufige Gerichtsgebühr fällig, die vom Gericht auf Basis des Mindeststreitwerts i. H. v. 1.500 € (bis 31.07.2013: 1.000 €) berechnet wird. Das entspricht einer Gebühr in Höhe von 284 € (bis 31.07.2013: 220 €).

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  • Seminar zu den neuen GoBD

    Am 02.03.2015 nahm ich am Seminar „Ordnungsgemäße Kassenführung und digitaler Zugriff im Lichte der neuen GoBD – Beratungshinweise und Handlungsempfehlungen“ teil. Schwerpunkt waren die neuen „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ des Bundesfinanzministeriums vom 14.11.2014.

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  • Seminar zu Rechtsbehelfen bei Außenprüfungen (Betriebsprüfungen)

    Am 11.11.2014 nahm ich am Seminar „Außenprüfungen und verfahrensrechtliche Möglichkeiten eines Steuerberaters“ mit folgenden Themen teil:

    • Steuerliche Außenprüfung als Maßnahme des Steuerfestsetzungsverfahrens
    • Behördliche Rechtsbehelfe
    • Gerichtliche Rechtsbehelfe
    • Vorläufiger Rechtsschutz im behördlichen und gerichtlichen Verfahren
    • Außenprüfung und Steuerstrafverfahren
    • Ausblick zu den verschärften Regelungen der Selbstanzeige ab 01.01.2015

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  • Fachkreis Steuerrecht: Vortrag zum Sanierungserlass

    Am 11.11.2014 traf sich der Fachkreis Steuerrecht des Leipziger Anwaltvereins. Kollege Rechtsanwalt Thomas Golzer aus Leipzig hielt einen Vortrag zum Thema “Der Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach Maßgabe des Sanierungserlasses – Darstellung anhand eines praktischen Falls”.

    Anhand seiner Beratungspraxis stellte er die Grundzüge der steurlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen dar und berichtete über Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung des Sanierungserlasses. Kollege Golzer verwies auch auf Entscheidungen des Sächsischen Finanzgerichts, wonach der Sanierungserlass als verfassungswidrig angesehen wird.

  • Richtsatzsammlung 2013

    Das Bundesministerium der Finanzen hat die Richtsatzsammlung 2013 bekannt gegeben.

    Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel (Anhaltspunkt) für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO).

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