Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Steuerhinterziehung

  • Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung: Erstbescheid oder Änderungsbescheid maßgeblich?

    Ausgangspunkt

    Kürzlich kam es in einem Steuerstrafverfahren vor dem Amtsgericht Leipzig u. a. zu einer Kontroverse über den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist.

    Meinem Mandanten, ein Steuerberater, warf man in mehreren Anklagepunkten Steuerhinterziehung zugunsten seiner Mandanten, aber auch in eigener Sache vor, jeweils durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens waren drei vorgeworfene Taten verjährt. Jetzt ging es um die Frage, ob seitdem ein weiterer Anklagepunkt verjährt ist. Je nachdem, wann man den Beginn der Verjährungsfrist ansetzt, war die angeklagte Tat bereits verjährt oder eben nicht.

    Sachverhalt (vereinfacht)

     

    Am 25.05.2011 wurde die Einkommensteuererklärung 2010 beim Finanzamt eingereicht. Darin wurden – so der Vorwurf – zu Unrecht Verluste aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Daraufhin wurde am 04.10.2011 der Einkommensteuerbescheid 2010 bekannt gegeben, in dem das Finanzamt die erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte. Am 06.06.2013 erging ein Änderungsbescheid, der sich allerdings auf andere Einkünfte (Beteiligungseinkünfte) bezog.

    Am 11.10.2021 fand der (letzte) Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht statt. Zu Beginn gab ich zu Protokoll, dass die vorgeworfene Tat bereits verjährt sei. Gleichwohl wurde der Mandant am Ende des Tages auch in diesem Anklagepunkt verurteilt. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen davon aus, dass die Tat nicht verjährt sei.

    Verjährungsfrist und „absolute“ Verjährung

    Bei Steuerhinterziehung gilt entweder eine 5jährige (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) oder – falls ein gesetzlich genannter Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt (z. B. Steuerverkürzung in großem Ausmaß) – die 15jährige Verjährungsfrist (376 Abs. 1 AO). Im vorliegenden Fall gilt die 5jährige Verjährungsfrist. Die Verfolgungsverjährung kann unterbrochen werden, z. B. durch Bekanntgabe der Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Dann beginnt die Verjährungsfrist neu. Zu beachten ist dabei aber die so genannte absolute Verjährungsfrist. Diese beträgt – in Fällen wie hier – maximal das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB), also 10 Jahre.

    Die Verfolgungsverjährungsfrist beginnt, wenn die Tat beendet ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Tat bei Veranlagungssteuern (hier: Einkommensteuer) und aktivem Tun (hier: Abgabe unrichtiger Steuererklärungen) mit Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheides beendet. Maßgeblich für die Tatbeendigung ist die Bekanntgabe des (ersten) auf die unrichtige Erklärung ergehenden Steuerbescheides. Etwaige spätere Änderungsbescheide spielen für die Frage der Tatbeendigung keine Rolle (BGH, 25.04.2001, 5 StR 613/00; Jäger in Klein, AO, § 376 Rn. 21).

    Lösung

     

    Staatsanwaltschaft und Gericht gingen – ohne nähere Begründung – davon aus, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Änderungsbescheid (06.06.2013) ankomme. Rechne man 10 Jahre (absolute Verjährungsfrist) hinzu, würde die Tat erst im Juni 2023 verjähren.

    Das ist jedoch falsch. Richtigerweise kommt es nach der BGH-Rechtsprechung auf den Erstbescheid (Bekanntgabe am 04.10.2011) an. Absolute Verjährung trat folglich mit Ablauf des 03.10.2021, also vor der erstinstanzlichen Verurteilung (11.10.2021) ein.

    Insoweit wurde mein Mandant trotz Verjährung und damit zu Unrecht verurteilt. Ich bin gespannt, was das Landgericht in der Berufung davon hält.

  • Einziehung von Bestechungsgeldern: Keine Doppelbelastung

    Einnahmen bzw. Umsätze in Form von Bestechungsgeldern unterliegen der Einziehung (§ 73ff. StGB). Da Bestechungsgelder steuerpflichtig sind (vgl. § 40 AO: „Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches … Verbot … verstößt.“), fallen darauf ggf. Einkommensteuer / Körperschaftsteuer, Umsatz- und Gewerbesteuer an. Auch die hinsichtlich der entstandenen Steuern ersparten Aufwendungen unterliegen der Einziehung.

    In solchen Fällen ist zu beachten, dass – neben den erhaltenen Bestechungsgeldern – nicht noch zusätzlich (kumulativ) die ersparten Aufwendungen für die auf die Bestechungsgelder entfallenden Steuern eingezogen werden.

    BGH, 10.08.2021, 1 StR 399/20 m. w. N.

    „Würde nebeneinander sowohl das aus den Bestechungstaten Erlangte als auch der Wert der ersparten Aufwendungen für die wegen des Zuflusses entstandenen Steuern eingezogen, unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Solches wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf …“

    Beispiel (vereinfacht)

    Der Beschuldigte erhält 10.000 € Bestechungsgelder, die er in seiner Einkommensteuererklärung verschweigt. Sein individueller Einkommensteuersatz soll 30 % betragen.

    Es wäre unzulässig, 10.000 € (Bestechungsgelder) und zusätzlich noch 3.000 € (ersparte Aufwendungen für die verkürzte Einkommensteuer) einzuziehen.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – neues Skript

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht und zur Haftung im Steuerrecht habe ich Skripten erstellt, die ich regelmäßig aktualisiere.

    Das Skript Update Steuerstrafrecht hat jetzt den Stand Oktober 2021. Eine kostenfreie Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis ist hier abrufbar.

    Wenn Sie das gesamte Skript erwerben möchten (als PDF-Datei, 30,00 € inkl. USt), senden Sie mir bitte eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

    Siehe auch: Skripten

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 01.10.2021 in Berlin

    Am 01.10.2021 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Hybrid-Vortrag mit dem Titel „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI). Der Vortrag war ein Seminar für die Anwaltsfortbildung.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • BGH: Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung strafbar

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 28.07.2021, 1 StR 519/20, die Entscheidung der Vorinstanz (LG Bonn, Urteil vom 18.03.2020, 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19) bestätigt, wonach

    „… die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. … Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf.“

    (Pressemitteilung des BGH vom 28.07.2021; schriftliche Urteilsgründe liegen derzeit – Stand: 22.09.2021 – noch nicht vor)

  • Fußball, Kirchensteuer und Strafrecht

    Irgendwann bei der Vorbereitung meiner Vortragstätigkeit stieß ich auf eine interessante zivilrechtliche Entscheidung des OLG München vom 23.12.2015, 15 U 2063/14 („Luca Toni“). Diese betrifft zwar vordergründig nur den Fall der Steuerberaterhaftung aufgrund der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Kirchensteuern. Der Fall lässt sich aber auch (steuer-)strafrechtlich „weiterspinnen.“

    Sachverhalt

    Ein italienischer Profi-Fußballer, römisch-katholisch, Wohnsitz in Bayern, heuerte für zwei Jahre bei einem bekannten süddeutschen Bundesliga-Fußballclub an. Der Spielervertrag sah eine Nettovergütung vor, d. h. der Fußballclub trug alle auf die Spielervergütung anfallenden Steuern. Der Fußballer wurde vom Fußballclub – wahrheitswidrig – als konfessionslos angemeldet. Der Fußballclub meldete sodann Lohnsteuer, aber keine Kirchenlohnsteuer an. Später wurde Kirchensteuer nachgefordert (ca. 1,5 Mio € zzgl. Säumniszuschläge).

    Im Aufhebungsvertrag zum Spielervertrag war eine Abgeltungsklausel vereinbart, so dass der Fußballer keinen Anspruch mehr gegen den Fußballclub auf Zahlung der Kirchensteuer hatte. Daher nahm der Fußballer seinen (ehemaligen) Steuerberater in Anspruch. Der Steuerberater hatte ihn trotz Kenntnis aller Umstände nicht über die anfallende Kirchensteuer und die Tatsache informiert, dass der Fußballclub keine Kirchenlohnsteuer angemeldet und abgeführt hatte.

    Entscheidung

    Die Klage des Fußballers hatte zu einem großen Teil Erfolg, der Steuerberater haftete im vorliegenden Fall aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung aus dem Steuerberatungsvertrag. Das OLG München war „anhand des unstreitigen äußeren Sachverhalts … davon überzeugt“, dass der Fußballclub das Meldeformular des Fußballers wahrheitswidrig mit „konfessionslos“ ausgefüllt hatte. Zweck „der falschen Eintragung“ sei die „Nichtabführung von Steuern“ (Kirchenlohnsteuer) durch den Fußballclub gewesen.

    (Steuer-)Strafrechtliche Relevanz

    Strafrechtlich relevant ist die unterlassene Anmeldung der Kirchenlohnsteuer durch den Fußballclub. Da die Kirchensteuer aber kein Hinterziehungsobjekt i. S. v. § 370 AO ist, kommt zumindest Steuerhinterziehung nicht in Betracht (BGH, 25.03.2021, 1 StR 242/20). Denkbar ist aber Betrug durch die Verantwortlichen des Fußballclubs. Ob die Verkürzung von Kirchensteuern als Betrug (§ 263 StGB) strafbar ist, hat der BGH bisher offen gelassen bzw. nicht entschieden.

  • Verkürzung von Kirchensteuer ist keine Steuerhinterziehung

    Erneut entschied der BGH (25.03.2021, 1 StR 242/20), dass die Verkürzung von Kirchensteuer keine Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 AO darstellt. Ob stattdessen eine Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB) in Betracht kommt, ließ der BGH weiterhin offen (so auch schon BGH, 17.04.2008, 5 StR 547/07).

  • Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall – neue 15jährige Verfolgungsverjährungsfrist

    Die Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung „richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind“ (§ 78 Abs. 4 StGB).

    Grundsatz: 5 Jahre 

    Da die „einfache“ Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft wird, beträgt die Verjährungsfrist somit 5 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Das entspricht der Verjährungsfrist z. B. bei Diebstahl oder Betrug.

    Besonderheit: 15 Jahre

    Allerdings enthält § 376 Abs. 1 AO eine von § 78 Abs. 4 StGB abweichende Sonderregelung: Danach beträgt die Verjährungsfrist (nunmehr) 15 Jahre, wenn ein gesetzlich genannter Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt (§§ 369 Abs. 2, 376 Abs. 1, 370 Abs. 3 S. 2 Nrn. 1 bis 6 AO), insbesondere im Fall einer Steuerverkürzung „in großem Ausmaß.“ Nach (geänderter) Rspr. des BGH liegt eine Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ vor bei einem Verkürzungsbetrag je Tat von mehr als 50.000 €.

    Praxis-Tipp

    Die 15jährige Verjährungsfrist wurde erst durch das Jahressteuergesetz 2020 m. W. v. 29.12.2020 in § 376 Abs. 1 AO eingefügt. Vorher galt eine 10jährige Verjährungsfrist. Die Neuregelung (15 Jahre) gilt für alle am 29.12.2020 noch nicht verjährten Taten.

  • „Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 29.07.2021 in Leipzig

    Am 29.07.2021 hielt ich in Leipzig einen 8stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht. Der Vortrag war Teil des Fachanwaltslehrgangs Strafrecht bei ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten