Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Einstellung des Verfahrens

  • „Verunglückte“ Selbstanzeige als Strafmilderungsgrund

    Durch Abgabe einer – wirksamen – Selbstanzeige wird man nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft (§ 371 Abs. 1 AO). Manchmal geht aber bei Erstellung der Selbstanzeige etwas schief und man bekommt später vorgehalten, dass die Selbstanzeige unwirksam sei.

    Beispiel: „Leicht verschätzt“

     

    Herr Müller hat Steuerhinterziehung („Schwarzeinnahmen“) begangen und rechnet damit, dass die Sache bald auffliegt. Es soll daher schnellstmöglich eine Selbstanzeige erstellt werden. Da er keine Unterlagen zur Höhe der „Schwarzeinnahmen“ hat, schätzt er diese. Die Schätzung wird dem Finanzamt näher erläutert und es wird zur Sicherheit noch ein Aufschlag gemacht. Im nachfolgenden Steuerstrafverfahren stellt sich aber heraus, dass die Selbstanzeige unvollständig war: In seiner Selbstanzeige hat Herr Müller (unbewusst) nur eine Steuerverkürzung i. H. v. 80.000 € aufgedeckt, tatsächlich beträgt die Steuerverkürzung jedoch 100.000 €.

    In solchen Fällen spricht man von einer „verunglückten“ Selbstanzeige. Die Selbstanzeige ist unwirksam, weil die Berichtigung unvollständig war. Unbewusste geringfügige Abweichungen („Bagatellabweichungen“) sollen die Selbstanzeige zwar nicht unwirksam machen. Die Rechtsprechung hat dafür eine Bagatellgrenze entwickelt: Jedenfalls eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag i. S. v. § 370 Abs. 4 AO ist als nicht mehr geringfügig anzusehen (BGH, 25.07.2011, 1 StR 631/10).

    Im Beispielsfall beträgt die Abweichung mehr als 5 % (konkret: 20%), daher ist die Selbstanzeige unvollständig und unwirksam.

    Die Selbstanzeige kann auch deshalb unwirksam sein, weil bereits ein Sperrgrund vorlag oder die Steuer-/Zinsnachzahlung (oder der „Strafzuschlag“) nicht oder nicht fristgerecht gezahlt werden kann. Folge ist, dass keine Strafaufhebung nach § 371 Abs. 1 AO in Betracht kommt.

    Allerdings stellt eine „verunglückte“ Selbstanzeige einen Strafmilderungsgrund dar. Das war bisher nur in den AStBV (St) Nr. 77 Ziff. 3a („verunglückte“ Selbstanzeige) geregelt, wurde jetzt aber durch eine BGH-Entscheidung vom 20.11.2018, 1 StR 349/18, bestätigt.

    Praxistipp

     

    Wenn die Selbstanzeige erkennbar vom Willen zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit getragen ist, kann dies zu einer deutlichen Strafmilderung und in besonderen Fällen auch noch zu einer Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO führen (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 371 Rn. 74).

  • Steuerhinterziehung: Zunächst Strafbefehl gegen Bauträger, dann Einstellung gegen Geldauflage

    Mein Mandant erbrachte und erbringt als Bauträger umsatzsteuerfreie Leistungen. Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung warf die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) meinem Mandanten vor, im Jahr 2014 keine Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt eingereicht zu haben. Nach Auffassung der BuStra hätte er aber Umsätze erklären müssen, für die er gemäß § 13b Abs. 1, Abs. 5 UStG die Umsatzsteuer geschuldet habe (Bezug von Bauleistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmer und Ort der Leistung im Inland, § 3a Abs. 2 UStG). Dadurch habe mein Mandant ca. 62.000 € Umsatzsteuer verkürzt.

    Die Sache wurde von der Staatsanwaltschaft übernommen und auf deren Antrag erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe i. H. v. 13.000 €. Dagegen wurde Einspruch eingelegt und es wurde ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Im Vorfeld hatte ich den Hörer in die Hand genommen und die Sache mit dem Vorsitzenden kurz erörtert. So kam es, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung gleich nach Verlesung des Strafbefehls selbst anregte, ein Rechtsgespräch zu führen (eigentlich wollte ich eine solche Erörterung anregen, aber er kam mir erfreulicherweise zuvor).

    Im Rahmen des Rechtsgesprächs führte der Vorsitzende einige Punkte auf, die für meinen Mandanten sprächen (Steuern nachgezahlt, Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts, keine Vorstrafen), so dass hier auch eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlunge einer Geldauflage in Betracht komme.

    Ich ergänzte, dass man durchaus auch hinterfragen könne, ob der Strafbefehl der so genannten Umgrenzungsfunktion (§ 409 Abs. 1 StPO) genüge. Nach dieser Vorschrift müssen die angeklagten Taten hinreichend bestimmt sein. Die BuStra hatte nach meiner Auffassung verschiedene Umsätze in den falschen Voranmeldungszeitraum eingeordnet, so dass die Umgrenzungsfunktion nicht erfüllt sei.

    Zudem sei fraglich, ob überhaupt ein Fall des § 13b UStG vorliege. Das setze einen im (EU-)Ausland ansässigen Unternehmer voraus. Wenn dieser ausländische Unternehmer aber im Inland (Deutschland) eine Betriebsstätte oder seine Geschäftsleitung habe, dann sei § 13b Abs. 1 UStG gar nicht anwendbar und mein Mandant hätte keine Steuererklärungspflicht gehabt (vgl. § 13b Abs. 7 UStG). Folglich könne man ihm auch kein pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorwerfen. Aus den Ermittlungsakten ergaben sich deutliche Hinweise auf eine Betriebsstätte bzw. eine Geschäftsleitung des ausländischen Unternehmers in Deutschland. Das hatten aber die Umsatzsteuersonderprüferin, die BuStra und auch die Staatsanwaltschaft bisher übersehen. Wie so oft im Steuerstrafrecht spielt die Musik im Steuerrecht, hier im Umsatzsteuerrecht.

    Dies hätte nun alles in einer umfangreichen Beweisaufnahme geklärt werden müssen. Am Ende einigten sich aber alle Beteiligten – auch aus wirtschaftlichen Gründen – darauf, dass das Strafverfahren gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage i. H. v. 6.500 € an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt wird. Mein Mandant hat somit die Hälfte der ursprünglich im Strafbefehl festgesetzten Geldstrafe gespart und ist weiterhin nicht vorbestraft.

    Praxis-Tipp

    Im vorliegenden Fall hatte sich der Mandant im Ermittlungsverfahren gegenüber der BuStra selbst (ohne Steuerstrafverteidiger) vertreten. Eine frühere Einschaltung eines Steuerstrafverteidigers wäre aber besser gewesen, denn man hätte dieses Ergebnis – Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage – wahrscheinlich schon im Ermittlungsverfahren erreichen können. Dann hätte man Zeit, Kosten und Nerven für den Hauptverhandlungstermin gespart. Aber hinterher ist man immer schlauer.

     

  • Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Steuerberater gemäß § 153a StPO eingestellt

    Gegen meinen Mandanten (Steuerberater) wurde ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es bestand der Verdacht, er habe zugunsten seines eigenen Mandanten Vorsteuer gebucht und im Wege des Vorsteuerabzugs geltend gemacht, obwohl die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht vorlagen. Im Streitfall fehlte die offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Eingangsrechnung des Mandanten. Das Ermittlungsverfahren wurde jetzt gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.

  • Flugzeugingenieure nach wie vor im Visier der Steuerfahndung

    Es geht um ausländische Flugzeugingenieure, die als „Freelancer“ am Flughafen Leipzig/Halle (Schkeuditz) Transportflugzeuge warten. Meinen ersten Fall hatte ich bereits 2012, aber noch immer kommen neue Mandanten damit zu mir.

    Die Betroffenen haben im Wesentlichen die gleichen (drei) Probleme:

    (1) In ihrem „Freelancer Contract“ steht ein niedrigerer als der tatsächlich gezahlte Stundensatz, die Einnahmen waren also tatsächlich höher als auf dem Papier. Die Differenz wurde nicht versteuert. Das Finanzamt fordert für viele Jahre rückwirkend Einkommensteuer nach. Dagegen lässt sich meist nicht wirklich etwas einwenden. Allerdings ist die Festsetzungsverjährung genau zu prüfen.

    (2) Die Betroffenen haben ursprünglich steuerfreie Umsätze (§§ 4 Nr. 2; 8 Abs. 2 UStG) erklärt. Das Finanzamt schwenkt Jahre später um und ist jetzt der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vorliegen. Daher wird auch Umsatzsteuer nachgefordert. Hierüber kann und sollte man streiten, zumal es dazu neuere EuGH-Rechtsprechung und ein aktuelles BMF-Schreiben gibt. – Zuvor ist jedoch die grundlegende Frage zu untersuchen, ob die „Freelancer“ tatsächlich Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts oder nicht vielmehr abhängig Beschäftigte sind.

    (3) Im Vorfeld wird meist ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet (Verdacht der Hinterziehung von Einkommen- und Umsatzsteuer). Solche Strafverfahren konnte ich bisher für meine Mandanten durch Einstellung gemäß § 153 StPO oder § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage erledigen.

  • Mindestlohnunterschreitung in der Fleischbranche: Strafverfahren mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt

    Nach einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung wurde einem Mandanten, Geschäftsführer einer in der Fleischbranche tätigen GmbH, vorgeworfen, er habe den laut Tarifvertrag für die Fleischwirtschaft festgelegten Mindestlohn bei der Lohnzahlung unterschritten. Mein Mandant habe sich daher gemäß § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) strafbar gemacht. Das Hauptzollamt eröffnete ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und gab die Sache an die Staatsanwaltschaft ab.

    Kein Vorsatz

    Im Ermittlungsverfahren trug ich vor, dass meinem Mandanten zum jeweiligen Tatzeitpunkt nicht bewusst gewesen sei, dass es für die Fleischwirtschaft einen Tarifvertrag gab und dass dieser durch Verordnung vom 30.07.2014 für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Dafür würden mehrere Indizien sprechen.

    Sozialversicherungsrechtlich möge dies ohne Relevanz sein. § 266a StGB setze jedoch vorsätzliches Handeln voraus (§ 15 StGB) und daran fehle es hier. Mein Mandant habe vielmehr einem Tatumstandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Beiträge … vorenthält“ im Sinne von § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB unterlegen. Wer nicht wisse, dass aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags tatsächlich höhere Sozialversicherungsbeiträge geschuldet sind, der habe auch subjektiv keine Vorstellung davon, dass er „Beiträge … vorenthält“.

    Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht, aber OWi-Verfahren

    Ein hinreichender Tatverdacht liege somit nicht vor. Ich regte daher an, das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdacht einzustellen. Dem kam die Staatsanwaltschaft auch nach.

    Allerdings wurde aufgrund der Mindestlohnunterschreitung nunmehr ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen meinen Mandanten eingeleitet (Verdacht des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 AEntG), das noch nicht abgeschlossen ist.

  • Versuchte Steuerhinterziehung: Ermittlungsverfahren mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt

    Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, die Einkommensteuererklärung für 2012 nicht abgegeben und dadurch versucht zu haben, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von ca. 30.000 € verkürzt zu haben. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) beabsichtigte daher, beim zuständigen Amtsgericht einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten zu beantragen.

    Nachdem ich mich als Verteidiger bestellt, Akteneinsicht genommen und nach Auswertung der Akten gegenüber der BuStra Stellung genommen hatte, stellte die BuStra das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. (mehr …)

  • Steuerstrafverfahren gegen China-Restaurant-Inhaber gemäß § 153 StPO eingestellt

    Gegen den Inhaber eines China-Restaurants wurde 2013 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, das jetzt sein erfreuliches Ende fand.

    Ausgangspunkt: Betriebsprüfung mit Zuschätzung

    Ausgangspunkt und Anlass der Ermittlungen war eine Betriebsprüfung für die Jahre 2005 bis 2007. Die Prüferin hatte laut Prüfungsbericht festgestellt, dass private Kosten für Zigaretten (es ging um ca. 1.000 bis 2.000 € pro Jahr) zu Unrecht als Wareneinkauf verbucht wurden. Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug seien insoweit zu Unrecht erfolgt. Des Weiteren habe eine durchgeführte Nachkalkulation zu erheblichen Differenzen zu den bisher erklärten Umsätzen geführt (Zuschätzung von 20.000 bis 30.000 € pro Jahr).

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  • BuStra stellt Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit gemäß § 398 AO ein

    Gegen einen Mandanten wurde ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eröffnet. Der Vorwurf: Als Geschäftsführer einer GmbH habe er durch unrichtige Angaben in den Lohnsteueranmeldungen Lohnsteuer in Höhe von 1.059,39 € verkürzt. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) wegen Geringfügigkeit gemäß § 398 AO eingestellt.

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  • Trotz Daten-CD Einstellung des Steuerstrafverfahrens mangels Tatverdacht

    Die Steuerfahndung und die Bußgeld- und Strafsachenstelle ermittelten gegen einen hochbetagten Mandanten. Es bestehe der Verdacht der Steuerhinterziehung, da der Name meines Mandanten auf einer Daten-CD enthalten sei. Daraus gehe hervor, dass mein Mandant ein Konto in der Schweiz unterhalten habe. Entsprechende Kapitaleinkünfte habe er aber nicht erklärt.

    Meine Akteneinsicht in die Ermittlungsakten ergab, dass den Strafverfolgern keine weiteren Umstände bekannt waren. Die Daten-CD enthielt insbesondere keinerlei Angaben zur Dauer der Geschäftsbeziehung zur Bank, zu Vermögensbeständen oder gar Kontobewegungen.

    Ein hinreichender Tatverdacht ließ sich daraus meines Erachtens nicht ableiten. Ich regte daher an, das Steuerstrafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdacht einzustellen, was auch geschah.