BFH: Verfassungsrechtliche Zweifel an Höhe des Zinssatzes ab Veranlagungszeitraum 2012 bis heute

„Zinsen gibt es nur noch im Steuerrecht!“ (Trossen, JM 2018, 476)

Wenn im Steuerrecht Geldbeträge zu verzinsen sind, dann beträgt der Zinssatz gemäß 238 Abs. 1 S. 1 AO „für jeden Monat einhalb Prozent“, also 6 Prozent pro Jahr. Ein stattlicher Betrag!

Aufgrund des „strukturellen Niedrigzinsniveaus“ zweifelte bereits BFH, 25.04.2018, IX B 21/18, an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes für Veranlagungszeiträume ab 2015 und gewährte insoweit Aussetzung der Vollziehung gegen die Zinsfestsetzung. Die Finanzverwaltung schloss sich dem an (BMF, 14.06.2018, IV A 3 – S 0465/18/10005-01).

Kürzlich entschied nun der BFH, 03.09.2018, VIII B 15/18, dass verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe schon ab dem Veranlagungszeitraum 2012 bestehen. Weitere Verfahren sind beim BFH anhängig. Zudem sind beim BVerfG zur Höhe der Zinsen gemäß § 238 AO Verfassungsbeschwerden anhängig (BVerfG, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17).

Praxis-Tipp

Gegen jede Zinsfestsetzung zugunsten des Finanzamtes sollte Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt werden, insb. gegen die durch separaten Zinsbescheid festzusetzenden Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) oder Aussetzungszinsen (237 AO).


Bei Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) genügt bspw. ein bloßer „Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2017“ o. ä. nicht. Der Einspruch muss sich explizit auch auf die Zinsfestsetzung beziehen (im Beispiel etwa: „… und gegen die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 2017“).

Update (05.04.2023): Zwischenzeitlich entschied das BVerfG, dass die Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gemäß § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 verfassungswidrig sei. Im Gesetz findet sich nunmehr ebenfalls eine Neuregelung.

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