Neuregelung zu AdV-Zinsen bei Haftungsbescheiden: Gesetzesbegründung haarsträubend

An anderer Stelle hatte ich bereits über die Neuregelung zu AdV-Zinsen bei Haftungsbescheiden in § 237 Abs. 6 AO berichtet. Die Gesetzesbegründung hierzu (Bundestags-Drucksache 20/8628, S. 177) ist eine Zumutung.

Dort heißt es:

Mit der Ergänzung des § 237 AO wird eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes umgesetzt. Dieser hat … empfohlen, die Verzinsungsregelung für ausgesetzte Steueransprüche auf Haftungsansprüche auszuweiten. Denn während nach § 234 AO gestundete Haftungsbeträge der Verzinsung unterliegen, konnte ein Haftungsschuldner im außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Haftungsbescheid durch Aussetzung der Vollziehung einen zinslosen Zahlungsaufschub erwirken. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird mit der Neuregelung unterbunden.“

Die Begründung ist haarsträubend und eine Zumutung für die Beraterschaft und ihre Mandanten. „Diese Gestaltungsmöglichkeit wird … unterbunden“ suggeriert, windige Steueranwälte und Steuerberater hätten diese „Zinslücke“ bisher ausgenutzt, um ihren Mandanten einen zinslosen Staatskredit zu verschaffen.

Das ist grober Unfug. Dass Haftungsbescheide nicht der AdV-Verzinsung unterlagen, ergab sich bisher aus dem Gesetz und der BFH-Rechtsprechung. Der AdV-Antrag ist ein Rechtsbehelf, der jedem Steuerpflichtigen als Korrektiv gegen die Übermacht des Finanzamtes zusteht, das seine – selbst gemachten – Bescheide bei Fälligkeit vollziehen und vollstrecken darf, ganz egal, ob die Bescheide rechtswidrig sind oder nicht.

Die AdV wird vom Finanzamt (oder Finanzgericht) auch nicht voraussetzungslos gewährt (so klingt das in der Gesetzesbegründung ebenfalls an), sondern nur dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn eine unbillige Härte vorliegt. Die Hürden dafür sind in der Praxis zum Teil sehr hoch. Zudem kann trotz Gewährung einer AdV eine Sicherheitsleistung festgesetzt werden.

Durch die Neuregelung wird der Fiskus einseitig bevorzugt, weil es bei Haftungsbescheiden nach wie vor keine Erstattungs- oder Prozesszinsen geben soll. In §§ 233a und 236 AO ist die Erstreckung auf Haftungsbescheide nicht vorgesehen. Wer also auf den Haftungsbescheid bezahlt und vielleicht nach 5 Jahren vor dem Finanzgericht gewinnt, der bekommt die Haftungssumme unverzinst zurückgezahlt.

Auf diese Weise erhält das Finanzamt einen zinslosen Kredit vom Bürger – auch eine interessante „Gestaltungsmöglichkeit.“