Ein „Dauerbrenner“ der letzten Jahre: Relativ häufig hebt der BGH Verurteilungen wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer (durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuer-Anmeldungen) auf, weil die Urteilsfeststellungen des jeweiligen Landgerichts zur Tatvollendung fehlerhaft bzw. unvollständig sind. In einer Entscheidung vom 25.01.2018, 1StR 264/17, verwies der BGH erstmals auf seine „st. Rspr.“ (ständige Rechtsprechung). Eine Entscheidung vom 20.09.2018, 1 StR 512/17, reiht sich in diese Rechtsprechung ein.
BGH, 20.09.2018, 1 StR 512/17 (vereinfacht)
Der Angeklagte hatte in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen wahrheitswidrig nicht steuerbare Auslandsumsätze erklärt. Tatsächlich handelte es sich dabei um steuerbare und steuerpflichtige Inlandsumsätze, was der Angeklagte auch wusste. Das Landgericht hatte ihn deshalb u. a. wegen vollendeter Umsatzsteuer-Hinterziehung in mehreren Fällen verurteilt. Der BGH hob die Verurteilung teilweise auf und verwies die Sache zurück. Die Verurteilung hielt teilweise „rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Beantwortung der Frage enthalten, ob Tatvollendung eingetreten ist.“ |
Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt. Der Taterfolg (= Folge der Tat) besteht gemäß § 370 Abs. 1 AO entweder in einer Steuerverkürzung („Steuern verkürzt“) oder in einer Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. Mit Eintritt der Steuerverkürzung oder mit Erlangung der Steuervorteile ist die Steuerhinterziehung vollendet.
Der Eintritt der Steuerverkürzung bei der Steuerhinterziehung entscheidet damit über die Einordnung als (noch) versuchte oder (schon) vollendete Tat. Beim Versuch ist ein strafbefreiender Rücktritt möglich (§§ 369 Abs. 2 AO, 24 StGB) und der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§§ 369 Abs. 2 AO, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB). Der Zeitpunkt der Tatvollendung muss daher genau bestimmt werden.
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen (Voranmeldungen oder Jahresanmeldungen) hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung gleich. Das gilt aber nur für den „Zahllast-Fall.“ Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so steht die Steueranmeldung erst dann einer Steuerfestsetzung gleich, wenn die Finanzbehörde der Steueranmeldung zustimmt (§ 168 S. 2 und 3 AO).
Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und – im Fall einer Steuervergütung – ob und wann die Finanzbehörde der Steueranmeldung zugestimmt hat. Im konkreten Fall fehlten diese Feststellungen.
Praxis-Tipp
Die Frage, ob eine Zustimmung des Finanzamtes erforderlich war und eine solche Zustimmung vorliegt (§ 168 S. 2, S. 3 AO), hat erhebliche praktische Relevanz. Sie entscheidet darüber, ob die fragliche Tat schon vollendet oder noch im Versuch „stecken geblieben“ ist. Das wird in der Praxis immer wieder übersehen. Fehler bei den Urteilsfeststellungen führen in der Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung. |