Falscher Adressat: Finanzamt muss Umsatzsteuerbescheide für nichtig erklären

Umsatzsteuerbescheide für eine (zweigliedrige) GbR

Mein Mandant erhielt Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007-2009, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrafen, an der mein Mandant in diesen Jahren neben einem weiteren Gesellschafter beteiligt war. Die Umsatzsteuerbescheide waren an meinen Mandanten mit dem Zusatz „Für Sozietät … & …“ adressiert.

Die GbR bestand aus zwei Gesellschaftern („zweigliedrige GbR“). Mein Mandant schied durch Kündigung zum 31.12.2009 aus der GbR aus. Nach dem Sozietätsvertrag geht in diesem Fall „das Vermögen der Gesellschaft … ohne Liquidation mit Aktiva und Passiva auf die verbleibenden Sozien über“, hier auf den letzten Gesellschafter.

Rechtsprechung des BFH

Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, endet die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft, weil diese damit ohne Liquidation vollbeendet wird. Der verbleibende Gesellschafter wird durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft. Damit wird er Steuerschuldner. Bescheide an die Gesellschaft (hier: Umsatzsteuerbescheide, aber z. B. auch Gewerbesteuermessbetragsbescheide) für die Zeit vor dem Formwechsel sind an den das Unternehmen fortführenden Gesellschafter als Rechtsnachfolger der Gesellschaft zu adressieren. Ein an den erloschenen und damit nicht mehr existenten Rechtsvorgänger gerichteter Bescheid ist unwirksam (BFH v. 15.04.2010, IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606 m. w. N.; BFH v. 18.09.1980, V R 175/74, BStBl II 1981, 293; Sächsisches Finanzgericht v. 13.01.2016, 8 K 863/14, EFG 2016, 1107).

Zwar ist eine Personengesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie noch Steueransprüche gegen sie oder von ihr geltend gemacht werden und das Rechtsverhältnis zu den Finanzbehörden nicht endgültig abgewickelt ist. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf die – hier nicht vorliegende – Vollbeendigung einer Personengesellschaft durch Liquidation ohne den Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge. Denn nur in diesen Fällen erlischt die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft grundsätzlich nicht durch die zivilrechtliche Vollbeendigung der Personengesellschaft. Der Bescheid ist in diesen Fällen weiterhin an die vollbeendete Personengesellschaft als Schuldnerin der Umsatzsteuer zu richten. Wächst das Vermögen der vollbeendeten Personengesellschaft hingegen – wie hier – beim Gesamtrechtsnachfolger an, so geht auch die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft auf den Rechtsnachfolger über. Ein Bedürfnis für eine weitere (fiktive) steuerliche Existenz der Personengesellschaft besteht in diesen Fällen daher nicht (BFH v. 22.01.2015, IV R 62/11, BFH/NV 2015, 995).

Nichtigkeitsfeststellung zugunsten meines Mandanten

Zum 31.12.2009 fand somit eine liquidationslose Vollbeendigung der Gesellschaft und Gesamtrechtsnachfolge beim (letzten) Gesellschafter statt. Betriebliche Steuerbescheide, die die Gesellschaft betreffen (hier: Umsatzsteuerbescheide) können somit nicht mehr an die (nicht mehr vorhandene) Gesellschaft gerichtet werden. Mein Mandant war mit Ablauf des 31.12.2009 kein Gesellschafter mehr und auch kein Gesamtrechtsnachfolger. Gegenüber meinem Mandanten war daher eine Bekanntgabe von Bescheiden, die die Gesellschaft betreffen, unzulässig.

Weil das Finanzamt dies nicht beachtet hatte, beantragte ich für meinen Mandanten gemäß § 125 Abs. 5 AO die Feststellung der Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide. Das Finanzamt stellte daraufhin die Nichtigkeit der Bescheide fest.

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